Nordhausen – Die Jahre ab 1989 waren nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa eine Zeit des Umbruchs. „Über Nacht brachen die bisherigen Strukturen zusammen und die Betriebsführung stand mit fast 3.000 Beschäftigten allein da. Wie mit einer solchen Situation umzugehen ist, dafür gab es kein Lehrbuch“, erinnert sich Dr. Peter Pfeifer, damals Betriebsdirektor von Schachtbau Nordhausen. Dass Schachtbau trotz der Umbrüche der Wendejahre auch heute noch eine feste Säule in der Region und deutschlandweit ist, ist neben Dr. Peter Pfeifer vor allem dem damaligen Bauer-Geschäftsführer Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauer und dem ehemaligen Spesa-Geschäftsführer Prof. Dr. Heinrich Markgraf zu verdanken.
Der Übernahme von Schachtbau durch Bauer gingen natürlich einige größere und kleinere Ereignisse voraus, so waren sich Bauer und Schachtbau nicht unbekannt. Es hatte mehrfach schon zu DDR-Zeiten Verhandlungen über den Kauf von Geräten für den Spezialtiefbau gegeben, welche für die Ausführung volkswirtschaftlich wichtiger Vorhaben dringend benötigt wurden. Diese Kontakte gab es zum Beispiel bereits 1985 im Zusammenhang mit dem Bau der Erzaufbereitung in Krivoj Rog in der ehemaligen UdSSR.
Ende 1989 war Heinrich Markgraf von der Universität Karlsruhe zur Beurteilung eines komplizierten Bauvorhabens am Bodensee eingeladen worden. Nach Abschluss der Arbeiten traf er dort auf Dr. Stocker, der Geschäftsleitungsmitglied der BAUER Spezialtiefbau GmbH war und ihn spontan nach Schrobenhausen einlud. Dort nahm er an einer Sitzung der Führungskräfte teil, von der er später oft erzählte, wie erstaunt er über das gute Betriebsklima war, das diese Beratung prägte.
Aus diesen Begegnungen heraus entwickelte sich der Gedanke, eine gemeinsame Firma zu gründen. Um Pfingsten 1990 war der Zeitpunkt gekommen, an dem aus unverbindlichen Absichten etwas Konkretes geschaffen wurde: Thomas Bauer und Heinrich Markgraf entwickelten auf dessen Datsche in Nordhausen in einem dreitägigen Gespräch das Grundkonzept eines neuen Unternehmens.
Auf dieser Grundlage wurde Anfang 1990 die ARGE SBS Spezialbau- und Sanierungsgesellschaft zwischen Schachtbau und Bauer gegründet und noch 1990 in die gemeinsame Firma SPESA Spezialbau und Sanierung GmbH überführt. „Die Spesa war eines der allerersten Gesamtdeutschen Joint-Venture nach der Wende. Sie ist supergut angelaufen und mitten durch den Boom in den neuen Bundesländern Anfang der 1990er durchgeschossen,“ blickt Thomas Bauer stolz zurück.
Für SBN stellte sich in den Boomjahren unmittelbar nach der Wiedervereinigung die Frage, wie geht es unter den sich abzeichnenden Bedingungen der freien Marktwirtschaft für das Unternehmen mit seinen 3.000 Beschäftigten weiter? Nach der Umwandlung des VEB Schachtbau Nordhausen in eine GmbH im Juni 1990 hatte SBN selbst schon einige Bemühungen unternommen, einen Investor zu finden, musste jedoch mit der Absage von Deilmann-Haniel die größte Hoffnung begraben. Für Bauer ergab sich unterdessen die Idee, Schachtbau selbst zu kaufen, um den Arge-Partner nicht an ein Konkurrenzunternehmen zu verlieren. Thomas Bauer erstellte also eine einfache, aber überzeugende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und ein Konzept für Schachtbau. „Damit haben wir die SBN 1992 übernommen - und es war kein kleines Risiko,“ fügt er an. Bauer und Schachtbau waren zu der Zeit fast gleich groß, schließlich zählte das Schrobenhausener Unternehmen zur damaligen Zeit 1.350 Mitarbeiter, die aufzukaufende Schachtbau aber auch noch ca. 1.200. Der Zukauf bedeutete also einen Zuwachs von fast 90%. Laut Sanierungskonzept sollten jedoch die bergmännischen Kapazitäten durch Umstrukturierung und Neuprofilierung deutlich zurückgefahren werden, um eine vernünftige Basis für das Überleben des Unternehmens zu schaffen. Leider brach der Boom 1994 abrupt ab und so hatte man nicht nur große Lernprozesse zu bewältigen, sondern war plötzlich noch mit einem enormen Markteinbruch konfrontiert. In der Folge entbrannte ein harter, aber auch zuversichtlicher Kampf für Schachtbau, sind sich alle drei Akteure einig. „Wir suchten nach Marktlücken und stellten uns dem Verdrängungswettbewerb“, erläutert Peter Pfeifer die Neuausrichtung. Der Rest ist eine einmalige Erfolgsgeschichte.
Heute kann das Thüringer Unternehmen auf 32 erfolgreiche Jahre als GmbH - 30 Jahre davon als Bestandteil der BAUER Gruppe - zurückblicken. Die Geschäftsführung, deren Vorsitz ab 2005 Jürgen Stäter von Dr. Peter Pfeifer übernahm und den seit 2019 Michael Seifert innehat, konnte der Belegschaft stets das notwendige Vertrauen vermitteln. Aktuell arbeiten nahezu 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Schachtbau Nordhausen – damit ist das Unternehmen in Nordthüringen eine feste Säule im Wirtschaftsleben.
Im Rahmen einer Feierstunde blickte die SCHACHTBAU NORDHAUSEN GmbH am 16. September 2022 auf 30 Jahre erfolgreiche Unternehmensentwicklung als Teil der BAUER Gruppe zurück. An dem offiziellen Festakt im Nordhäuser Ratssaal nahmen neben zahlreichen Zeitzeugen auch hochrangige Gäste aus Politik und Wirtschaft teil. Den Höhepunkt der Feierlichkeiten bildete der Eintrag von Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauer in das Goldene Buch der Stadt Nordhausen.
Dem offiziellen Teil schloss sich am Nachmittag ein Get-Together mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf dem Betriebsgelände am Industrieweg 2a an.